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Nomazulu Thata: Rede bei WWC in Tunesien

22.09.2022 |


Dass die Weltfrauenkonferenz hier, in einem Afrikanischen Land, in Tunesien stattfindet,

ist für uns Afrikanerinnen und Afrikaner eine große Ehre.

Wir kommen heute solidarisch zusammen mit unseren Schwestern, angereist aus globalen Süden und Norden,

um uns zu treffen und Frauen-spezifische Themen zu diskutieren,

nach gemeinsam Lösungen zu suchen und diese zu reflektieren.

Flucht und Migration haben unterschiedliche Farbschattierungen, aber die Dynamik, Ursache und Wirkung bleiben in jedem Aspekt unserer Erfahrungen als afrikanische Frauen dieselben!

Die Flucht- und Migrationsgeschichten afrikanischer Frauen in Deutschland spiegeln meine eigene Geschichte wider.

Die Tatsache, dass sie durch Push- und Pull-Faktoren

im Zusammenhang mit Flucht und Migration im eigenen Land vertrieben wurden,

was sie wiederrum in die Hände skrupelloser Menschenhändler trieb,

die ihnen vielsagend den Himmel auf Erden in Europa versprachen.

Flucht und Migration haben gravierende Gründe und natürlich erschreckende Effekte für die Betroffenen

– beispielsweise wie afrikanischen Frauen nach Europa zu Fuß durch die Sahara reisen, um die Küsten des Mittelmeers zu erreichen.

Es sind Dutzende von Frauen, die in der Sahara aufgrund der Herausforderungen in der schier endlosen Wüste ums Leben kommen.

Der Wüstencharakter der Sahara macht es unmöglich, den Bürgern und Bürgerinnen der Saharaländer,

die sich politisch und ökonomisch im Übergang befinden, angemessenen Schutz zu gewähren.

Die meisten Frauen sterben aus Mangel an Nahrung und Wasser.

Ja, wir müssen über undokumentierten Todesfällen reden.

Niemand weiß, wie viele Frauen auf dem Weg durch die Saharawüste ihr Leben verloren haben.

Es ist jedoch allgemein bekannt, dass Dutzende von Frauen schutzlos Opfer dieser gefährlichen Reisen nach Europa sind.

Einige Frauen werden von den kriminellen Netzwerken gefangen genommen und gezwungen in den meisten Städten südlich des Mittelmeers und in europäischen Ländern als Sexsklavinnen zu arbeiten.

Einige Frauen werden gezwungen, ihre Organe zu spenden, sie sterben, ohne dass jemand davon Kenntnis nimmt!

Ja, so ist es – ihre Körper werden in unbekannten Gruben entsorgt.

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Wenn wir unsere Geburtsländer verlassen, nehmen wir unsere Traditionen und Kulturen mit, jene, die wir am meisten schätzen.

Es ist gut, unsere Traditionen und Kulturen zu bewahren  und sie zu pflegen.

Einige dieser kulturellen Werte trösten uns in den herausfordernden Situationen des Lebens, fern von zu Hause, in einer fremden Umgebung.

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Widersprüche in Bezug auf unsere Kultur und Traditionen werden jedoch in den Empfängerländern zum Problem. Wenn eine Migrantin in den Aufnahmeländern Schutz mit der Begründung erhält:

"Ich bin von zu Hause geflohen, weil meine Tochter wie ich der Genitalbeschneidung ausgesetzt werden soll",

oder: "Ich bin von zu Hause geflohen, weil es dort Kinderzwangsheiraten gibt:

Die Gründe für den Schutz von Frauen unter den oben genannten Umständen sind stark und stichhaltig genug,

um von den Empfängerländern Schutz gemäß der Genfer Konvention zu erhalten.

Es ist ein Widerspruch, wenn dieselbe Mutter, die einerseits behauptet, sie sei aus ihrem Geburtsland geflohen, um ihre Tochter vor der Beschneidung zu schützen,

andererseits will, dass ihre Tochter in ihrem Geburtsland oder in einem europäischen Land ihrer Wahl beschnitten wird.

Über ihr Netzwerk weiß sie, wo sie Genitalschneiderinnen findet, darunter auch einige skrupellose, qualifizierte Ärzte und Ärztinnen in Europa.

Ja, fraglos ein lukratives Geschäft.

Ja, die Mutter weiß auch, dass das Beschneiden der Genitalien von Mädchen im globalen Norden als Straftatbestand gilt.

In Deutschland gibt es afrikanische Mütter, die in die Ferien fahren, um ihre minderjährigen Töchter an einen bevorzugten Bräutigam in Afrika zu verheiraten.

Wenn sie zurückkommen, brechen diese minderjährigen Mädchen die Schule ab, weil sie verheiratet sind.

Das ist ein Widerspruch in sich, denn die Schulbildung von Mädchen ist, genau wie die von Jungen, sehr wichtig für ihr persönliches "girl-empowerment".

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Die Genfer Konvention ist ein universelles Gesetz, das Leben von Tausenden von gefährdeten Weltfrauen in der Übergangsphase schützt, und diese Konvention sollte ernst genommen werden.

Die Genfer Konvention ist für viele Frauen auf der ganzen Welt, die diese Hilfe dringend benötigen, ein entscheidender juristischer Faktor.

 Sie zu untergraben, zu delegitimieren bedeutet Tausende von Frauen zu benachteiligen, die wirklich Schutz im Zusammenhang mit Flucht und Migration verdienen.

In diesem aufgeladenen Kontext, liebe Kolleginnen und Kollegen, nutze ich die Gelegenheit, diese Herausforderungen heute auf dem WWC hervorzuheben.

Die WWC ist eine Plattform und ein Forum, auf dem Fragen im Zusammenhang mit unseren Mädchen offen und auf Augenhöhe angesprochen werden, um zu versuchen, die tief verwurzelte Kultur der Genitalverstümmelung von Frauen und Mädchen zu verstehen,

aber auch, diese Praxis aufzugeben, für immer.

Die Kultur der Genitalverstümmelung vollständig zu verstehen, kann dazu beitragen, dass die "Anderen" verstehen, dass jede Kultur dynamisch ist.

Der Schmerz der Genitalverstümmelung , der unseren heranwachsenden Mädchen zugefügt wird, kann vermieden werden, wenn wir die damit verbundenen gesundheitlichen Probleme und das individuelle Wohlbefinden verstehen.

Darüber will ich mit Euch hier und heute ins Gespräch kommen.

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